Im Whitepaper von Satoshi Nakamoto wird der Bitcoin als „elektronisches Peer-to-Peer-Bezahlsystem“ beschrieben. Doch für viele eignet sich der Coin auch ganz hervorragend als digitaler Wertspeicher. Diese Funktion könnte sogar an Bedeutung gewinnen.
„Fast keiner nutzt Bitcoin wirklich für Zahlungen – er wird als Alternative zu Gold genutzt. Es ist ein Wertspeicher, ein spekulativer Wertspeicher wie Gold.“ Diese Worte stammen von niemand Geringeren als Jerome Powell, dem Vorsitzenden der US-Notenbank Fed. Die These an sich ist nicht neu, wurde bislang aber in erster Linie von Vertretern der Kryptobranche wie Dr. Julian Hosp oder Michael Novogratz geäussert.
Auf den ersten Blick scheint der Vergleich zu hinken: Hier ein schweres Edelmetall, das von der Menschheit seit Jahrhunderten geschätzt wird – dort ein paar Zeilen Code, gerade einmal zehn Jahre alt und schier nicht greifbar. Und doch gibt es in zentralen Punkten Gemeinsamkeiten, etwa die Knappheit beider Güter: Während diese beim physischen Gold auf limitierten Ressourcen beruht, ist die Bitcoin-Menge per Algorithmus auf maximal 21 Millionen Einheiten gedeckelt.
Der digitale Vermögensverwalter Grayscale spricht in einer aktuellen Studie von „ähnlichen monetären Eigenschaften“ und sieht diese durch eine Umfrage unter US-Anlegern bestätigt: Von den befragten Bitcoin-Besitzern gaben 69 Prozent an, dass sie auch Gold als gutes Investment erachten. Zum Vergleich: Unter allen Befragten lag die Quote nur bei 55 Prozent.
HODLN statt traden
Ein weiteres Indiz für die These lässt sich aus Daten von Coin-Metrics herauslesen. Die Zahl der Bitcoin, die seit mindestens fünf Jahren nicht mehr transferiert wurden, ist Mitte Juli mit rund 3,85 Millionen auf ein neues Rekordhoch geklettert.
Mit anderen Worten: 21,6 Prozent aller bisher geminten Bitcoin sind seit mindestens fünf Jahren inaktiv. Sie wurden weder während der Rekordrallye Ende 2017 noch während dem anschließenden Crash angerührt, geschweige denn für Zahlungen verwendet. Besonders stark gestiegen ist zudem die Zahl der Bitcoin, die seit 180 Tagen beziehungsweise einem Jahr nicht bewegt wurden.
Was bedeutet das für den Bitcoin?
Wenn der Bitcoin von Investoren tatsächlich zunehmend als „sicherer Hafen“ betrachtet wird, könnte das mittelfristig zusätzlichen Rückenwind liefern. Denn zahlreiche Experten warnen vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft und einer Zunahme geopolitischer Konflikte. Zudem deutet alles auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik durch die EZB und erneute Zinssenkungen durch die Fed hin. Assets, die keine Zinsen abwerfen und darüber hinaus eine geringe Korrelation zu anderen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Devisen aufweisen, erscheinen in diesem Szenario attraktiver.
In Ländern mit hoher Inflation, wirtschaftlichen Problemen oder instabilen politischen Verhältnissen wie in Argentinien, Venezuela oder der Ukraine ließ sich die „Flucht in Bitcoin“ immer wieder beobachten. Richtig aufbewahrt bieten Bitcoin Schutz vor unerlaubtem Zugriff und sind darüber hinaus leicht zu handhaben. Wer etwa 100.000 Euro in physisches Gold investiert, müsste knapp zweieinhalb Kilo mit sich herumschleppen.
Bitcoins lassen sich dagegen in unbegrenzter Höhe auf einem USB-Stick oder sogar einem Stück Papier (Paper Wallet) speichern und darüber hinaus in beliebiger Stückelung transferieren. Auf die Frage, ob er Bitcoin als „digitales Gold“ erachtet, antwortete Krypto-Ikone Changpeng Zhao daher jüngst provokant: „Gold ist schwer und umständlich zu transportieren. Bitcoin ist besser.“
Volatilität bleibt eine Herausforderung
Eingefleischte Goldfans werden dem natürlich energisch widersprechen. Der offensichtlichste Kritikpunkt ist dabei die enorme Volatilität der Kryptowährung, die zweifelsohne eine Herausforderung darstellt. Eine schnelle Lösung dafür ist nicht in Sicht. Doch mit der Zeit und dem Einstieg institutioneller Investoren sowie der tendenziell zunehmenden Regulierung wird auch der Bitcoin etwas mehr zur Ruhe kommen. Jedoch gibt es auch Wertpapiere wie die Wirecard und SAP Aktien welche im 2020 einen Kursturz an einem Tag hatten, welche grösser waren als der grösste Kurssturz des Bitcoins im 2020.
Trotz der vergleichsweise großen Schwankungsanfälligkeit wird der Bitcoin aber von immer mehr Investoren als „sicherer Hafen“ angesehen. Das zeigt auch der kürzliche anstieg des Bitcoins auf über 25'000 Dollar pro Bitcoin.
Der Bitcoin wird erwachsen und gehört mittlerweile in jedes Portfolio.
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